Automotive Supply Chain

„Fabless“: Die Zukunft der Autoindustrie?

Mai 18, 2021
In immer mehr Branchen werden Produktentwicklung und Fertigung voneinander getrennt. Die Autoindustrie wird gerade durch neue Player aufgerollt, die eine gänzlich andere Perspektive auf Kundenbedürfnisse und Methoden mitbringen. Ähnlich wie Apple, AMD, Nvidia und andere Tech-Konzerne, lagern sie die Produktion an einen Auftragsfertiger aus und konzentrieren sich auf Entwicklung, Design und neue Ideen.
Unternehmen, die ohne eigene Fertigung auskommen, bezeichnet man im Englischen als „fabless“, was übersetzt so viel wie „fabriklos“ oder „ohne Herstellung“ bedeutet. Auf den Automobilsektor übertragen bedeutet dies, dass ein Hersteller nur noch Software und Rechenplattformen entwickelt, aber seine Fahrzeuge nicht in einer eigenen Fabrik baut.

Für die etablierten OEMs bedeutet dies, dass sie zunehmend mit „Herstellern“ aus dem Tech-Sektor konkurrieren werden, zu deren Stärken insbesondere die Innovationsfähigkeit zählt und die eine grundsätzlich andere Strategie verfolgen als sie selbst. Um mit diesem Paradigmenwechsel Schritt zu halten, muss die traditionelle Autoindustrie ihr Geschäftsmodell in das digitale Zeitalter überführen – und zwar schnell. Für die vernetzen Fahrzeuge der nächsten Generation muss die Softwarekompetenz ausgebaut und zum neuen Markenkern weiterentwickelt werden.

Fabriklose Autohersteller

Fisker und Byton, zwei Elektroauto-Startups, haben vor kurzem eine Partnerschaft mit dem als iPhone-Bauer bekannten Auftragsfertiger Foxconn aus Taiwan abgeschlossen. Dort will man zukünftig ebenso verlässlicher Produktionspartner für Automobile sein.

Dazu hat Foxconn eine eigene Elektroautoplattform entwickelt und wird diese den beiden Partnern zur Verfügung stellen. Fisker und Byton haben aus Zeit- und Kostengründen auf eigene Entwicklungen verzichtet. Laut Konzernchef Young-Way Liu könne man ein Fahrzeug so in der Hälfte der üblichen Zeit auf den Markt bringen, nämlich in nur 24 Monaten von der Entwicklung bis zur Produktion.

Anstatt die Autos selbst zu bauen und hohe Summen in die Produktion zu investieren (diesen traditionellen Ansatz verfolgen beispielsweise auch Tesla oder Lucid), stecken Fisker und Byton das gesparte Geld lieber in Design-Innovationen und Softwareentwicklung. Der vergleichsweise geringe Kapitaleinsatz reduziert gleichzeitig auch das Risiko. Für potenzielle Investoren eine überzeugende Strategie.

Mit seiner offenen MIH-Plattform will Foxconn die Entwicklung von Elektroautos beschleunigen. Die Plattform enthält bereits alle wichtigen Hardware- und Softwarekomponenten. Diese lassen sich modular kombinieren und auf verschiedenste Fahrzeuge anpassen. Insbesondere Elektroauto-Startups profitieren von diesem Modell, da sie sämtliche Herausforderungen rund um die Fertigungslogistik nicht selbst bewältigen müssen. Selbst Tesla musste mit seinem Model 3 lange durch eine sprichwörtliche „Produktionshölle“ gehen. Die neuen Fabless-OEMs sind hingegen keine „echten“ Automobilhersteller mehr, sondern in Wahrheit innovative Software-Powerhouses, die sich voll und ganz der Befriedigung von Kundenbedürfnissen widmen können.

Die Ursprünge von Fabless Manufacturing

Als der Markt für Halbleiter in den 1970er Jahren an Fahrt aufnahm, arbeiteten die großen Anbieter allesamt nach der One-Stop-Shop-Philosophie. Als „Integrated Device Manufacturer (IDM)“ entwickelten, testeten, produzierten und vermarkteten sie ihre Chips selbst. Ab den 1980er Jahren setzte aufgrund der enormen Kosten eine zunehmende Spezialisierung ein: Fabless-Unternehmen fokussierten sich rein auf die Entwicklung und den Vertrieb, während die Fertigung an, auf die Massenproduktion spezialisierte, Auftragsfertiger ausgelagert wurde.

Dieses Geschäftsmodell verbesserte die Effizienz der gesamten Halbleiterindustrie und führte zu enormen Wachstum. Dadurch traten wesentlich mehr Unternehmen in den Markt ein, da sich insbesondere auch kleinere Startups auf das Design konzentrieren konnten, während die Fertigung verlässlich von den Überkapazitäten der IDMs übernommen wurde.

Weltweit bekannte Halbleitergrößen wie Qualcomm, Broadcom, AMD und Nvidia sind heute allesamt „Fabless Companies“.

Fabless: Der nächste Game Changer in der Automobilindustrie?

Der Paradigmenwechsel, der sich gerade in der Automobilindustrie vollzieht, wird maßgeblich von veränderten Kundenbedürfnissen befeuert. Sie erwarten heute ein modernes und personalisiertes Mobilitätserlebnis. Einer aktuellen McKinsey-Studie zufolge, sind Fahrzeuge dafür auf komplexe Software angewiesen – sie wird zum „Tipping Point“ einer ganzen Industrie.

Bislang haben sich OEMs vorrangig auf die Hardware konzentriert und Software als zweitrangig behandelt. Das mag früher sinnvoll gewesen sein, doch die mit der Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen lassen sich nur mit Software lösen. Viele Autohersteller versuchen daher gerade, möglichst schnell selbst umfassende Softwarekompetenzen aufzubauen. Doch dies ist ein kostenintensiver und langwieriger Prozess, zumal sich Softwareentwickler heute aussuchen können, wo sie arbeiten wollen, und auch von den großen Tech-Konzernen heiß umworben werden.

Die etablierten Hersteller werden von neuen Playern herausgefordert, die erkannt haben, dass ihre Stärken in der Innovationskraft und Agilität liegen. Die kapitalintensive Fertigung überlassen diese jungen Unternehmen lieber anderen. Solche Startups sind für junge Ingenieure und Softwareentwickler besonders attraktive Arbeitgeber, da dort eine moderne Unternehmenskultur auf Technologie, Kreativität und Innovation treffen. Um dröge Fertigungsdetails muss man sich hingegen nicht kümmern.

Technologietrends verändern unsere Welt immer schneller. Die Automobilindustrie hat ihre starke Position auch ihrer jahrzehntelangen Innovationskraft zu verdanken. Jetzt ist es an der Zeit, sich auf diese alte Stärke zu besinnen und neue Wege zu gehen.

Gibt es eine Zukunft für traditionelle OEMs?

Traditionelle Hersteller müssen sich zwar dem Wandel stellen, aber nicht von heute auf morgen alles komplett revolutionieren. Eine Partnerschaft mit der Cybertech Tier verschafft ihnen genug Luft, um den Fokus rechtzeitig auf die Kernkompetenzen zu legen, die zur Entwicklung moderner Fahrzeuge notwendig sind. Die Erfahrungen und jahrelang optimierten Prozesse in der Fertigung sind für die etablierten Hersteller keine Belastung, sondern Gold wert. Niemand erreicht über Nacht das Qualitätsniveau von VW oder Toyota. Das musste selbst Tesla schmerzhaft lernen. Stattdessen können sich OEMs gemeinsam mit der Cybertech Tier den Themen der Zukunft stellen und den fabriklosen jungen Herstellern einen harten Konkurrenzkampf liefern, indem sie ihre Kompetenzen bündeln.

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